Forschungsschwerpunkt „Familienmedizin“ am ifam

Ziel des Instituts für Allgemeinmedizin (ifam) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist es, Forschung und Reflexion zu „Familienmedizin in der Hausarztpraxis“ weiterzuentwickeln und damit die Familienmedizin zu stärken.

Wir organisieren einen Projektverbund von Expert:innen aus Allgemeinmedizin und angrenzenden Gebieten, die gemeinsam das Thema „Familienmedizin“ weiter erforschen möchten. Forschungsgruppen und Einzelpersonen mit Interesse an Kooperation sind herzlich eingeladen, Kontakt zu uns aufzunehmen.

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!

 

Forschungsagenda „Familienmedizin“

Die hausärztliche Familienmedizin ist im deutschsprachigen Raum ein Forschungsdesiderat. Bisher liegen nur wenige Studien zu diesem Bereich vor, auch wurde das Thema bisher nicht systematisch erarbeitet. Um das Feld „Familienmedizin“ strukturiert aufzuarbeiten, setzt unsere Forschungsagenda an drei unterschiedlichen Ebenen an:
– Familienmedizin in der hausärztlichen Praxis – was ist das?     (Theorie/Begriffsbestimmung)
– Empirie und Epidemiologie zu Familienmedizin
– Instrumente und Arbeitsweisen (Medizinische Praxis)
Zu den einzelnen Ebenen wurden und werden Forschungsprojekte konzipiert und durchgeführt.

1. Familienmedizin in der hausärztlichen Praxis – was ist das? (Theorie/Begriffsbestimmung)

Die Familienmedizin ist Teil der Allgemeinmedizin und umfasst die gesundheitliche Betreuung der Familie in somatischer, psychischer und sozialer Hinsicht“, heißt es im grundlegenden Lehrbuch der Allgemeinmedizin (Kochen 2012: 564). Was dies jedoch genau bedeutet, darüber gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. In einer Studie wurde deshalb eine Arbeitsdefinition „Familienmedizin in der Hausarztpraxis“ entwickelt, die für Theoriebildung und Praxisforschung als Ausgangspunkt dienen soll.

Die Wurzeln der Familienmedizin reichen in Deutschland weit zurück. In den späten 1970er Jahren gab es ausführlichere Betrachtungen und Systematisierungsversuche zur Familienmedizin. Die Studie „Frühe Protagonisten der Familienmedizin in Deutschland“ hat die Erfahrungen der damaligen Beteiligten erhoben und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Familienmedizin heute ausgewertet.

Der historische Rückblick sollte auch die allgemeinmedizinischen Lehrbücher aus dieser Zeit umfassen, stellen sie doch das zu der Zeit kanonisierte Wissen der wissenschaftlichen Allgemeinmedizin dar. Acht Lehrbücher aus dieser Zeit wurden von der Arbeitsgruppe des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf (ifam) hinsichtlich der Thematisierung von Familienmedizin durchgesehen. Es zeigte sich, dass der Aspekt Familienmedizin nur in begrenztem Umfang angesprochen wurde. Lediglich das Buch „Psychosoziale Kompetenz in der ärztlichen Primärversorgung: ein Lernbuch für Ärztinnen, Ärzte, und Studierende“ von Peter Helmich (1991) wies bereits auf den Spannungsbogen der Familienmedizin von psychosomatischen bis hin zu sozialmedizinischen Aspekten hin. Erst 1986 legte Hans Hamm als Herausgeber mit seinem Lehrbuch „Allgemeinmedizin, Familienmedizin. Lehrbuch und praktische Handlungsleitwege für den Hausarzt“ die Grundlagen der hausärztlichen Familienmedizin in Deutschland.

2. Empirie und Epidemiologie zu Familienmedizin

Wie oben beschrieben wurde eine Definition „Familienmedizin in der Hausarztpraxis“ als Ausgangspunkt für weitere Forschungen erarbeitet. Noch in den 1990er Jahren ging man davon aus, dass in mehr als 2/3 der Fälle die Mitglieder einer Familie vom dem- oder derselben Hausarzt/Hauärztin behandelt werden (vgl. Himmel/Kochen 1998). Aktuelle Daten liegen bisher für den deutschsprachigen Raum nicht vor. Daten einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung aus dem Jahre 2020 zeigen jedoch, dass annähernd die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland mit vielen oder allen Familienmitgliedern in einer Hausarztpraxis versorgt werden möchten. Dies zeigt den Wunsch eines Großteils der Bevölkerung nach einer zentralen ärztlichen Anlaufstelle für Familien und bietet Potential für die Umsetzung von Familienmedizin in der hausärztlichen Praxis. [Zur Projektbeschreibung] Wie niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte die Relevanz der Familienmedizin in ihrem Praxisalltag einschätzen, ist bisher nicht bekannt. Ausgehend von der Arbeitsdefinition „Familienmedizin in der Hausarztpraxis“ wurde in einer Befragung von niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten untersucht, wie diese die Bedeutung von Familienmedizin im hausärztlichen Praxisalltag einschätzen.[Zur Projektbeschreibung] Wie häufig haben Hausärztinnen und Hausärzte im Alltag konkret mit Familienangehörigen zu tun? Einen Teil dieser Frage beleuchtet das Promotionsprojekt „Die Rolle der Begleitperson in der hausärztlichen Sprechstunde“ von Franziska Groß. Betreuung: Stefan Wilm / Vera Kalitzkus (ifam). Zugangswege zur Erhebung entsprechender Versorgungsdaten untersucht Susanne Walljasper in ihrem Promotionsprojekt „Die Versorgung von Familienmitgliedern in Hausarztpraxen – Zugangswege zur Erhebung von Versorgungsdaten. Eine Machbarkeitsstudie“. Betreuung: Stefan Wilm / Vera Kalitzkus (ifam).

3. Instrumente und Arbeitsweisen (Medizinische Praxis)

Erste Forschungen zur Arbeitsweise familienmedizinisch orientierter Hausarztpraxen und konkrete familienmedizinische Instrumente sind in Arbeit:

Konzeption, Entwicklung und Praxistestung einer Checkliste „Familienproblematik“ für die Programmierte Diagnostik nach Braun/Mader ( Zur Projektbeschreibung)
Die Grundidee der seit Jahrzehnten bewährten Programmierten Diagnostik nach Braun/Mader ist es, eine Handreichung für ein systematisches Vorgehen für die häufigsten diagnostischen Problemfälle in der Hausarztpraxis zu bieten. Eine familiäre Problematik wird darin bisher nicht explizit in einer eigenen Checkliste behandelt. Eine Checkliste „Familienproblematik“ soll mit einem knapp gehaltenen Programm Hilfestellung zum systematischen Ausloten des familiären Hintergrundes und Kontextes von Patientinnen und Patienten in der Hausarztpraxis geben.

Familienkonferenzen bei Frailty: Erhöhung der Patientensicherheit durch gemeinsame Priorisierung (COFRAIL)
Das geriatrische Frailty-Syndrom bezeichnet einen Zustand körperlicher Gebrechlichkeit, der mit verminderter Lebenserwartung und erhöhten Risiken für Verwirrtheitszustände, Stürze und Krankenhauseinweisungen verbunden ist. Die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Frailty ist komplex. Das Projekt COFRAIL zielt darauf, die hausärztliche Versorgung ambulanter Patientinnen und Patienten zu verbessern. In Familienkonferenzen sollen Hausärztinnen und Hausärzte gemeinsam mit den Patienten und ihren Angehörigen besprechen, welche Behandlungsziele mit welchen Mitteln verfolgt werden sollen. Es soll untersucht werden, wie sich die Familienkonferenzen auf die Versorgung auswirken und welche Unterschiede zur regulären Versorgung erkennbar sind.

 

Weitere Informationen zu den Projekten finden Sie hier:
Laufende Projekte
Abgeschlossene Projekte